Journalisten sollten mehr tun als Journalismus, sich nämlich als Marke im Netz positionieren. Elf solcher Marken habe ich interviewt. Ein Zwischenfazit.
Wer sich als Journalist auf dem hart umkämpften Markt behaupten möchte, der kann sich nicht nur auf das Arbeiten im stillen Kämmerlein beschränken. Eine starke Präsenz im Web scheint in diesen digitalen Zeiten unerlässlich. Einige Journalisten haben es geschafft: Sie sind zu einer Marke im Netz geworden. Ich habe mit elf solcher Journalistenmarken über das Thema Selbstvermarktung gesprochen, sie nach ihrem Geheimrezept gefragt und von ihnen wissen wollen, ob bei all dem Eigenmarketing überhaupt noch genügend Zeit für die eigentliche journalistische Arbeit bleibt.
Das eine Geheimrezept gibt es nicht, so viel ist klar. Aber wer einige Aspekte beachtet, der ist schon einen Schritt weiter. Der freie Journalist Daniel Bouhs stellt erst einmal klar, um was es beim Thema Selbstvermarktung überhaupt geht, nämlich „erkennbar zu sein, für Gesprächspartner, Hinweisgeber, Kritiker und nicht zuletzt natürlich Redaktionen, die Aufträge zu vergeben haben.“ Die Journalisten, die zu einer Marke geworden sind, sprechen bei der Frage nach dem Geheimrezept viel von Authentizität. Daniel Fiene etwa betont, es sei ihm wichtig, er selbst zu bleiben, sich nicht zu verkrampfen. Dennoch sollte man das Eigenmarketing immer im Blick behalten. Mehr noch: Eigentlich sollte man es als selbstverständlichen Teil der Arbeit von Journalisten betrachten, wie Karsten Lohmeyer behauptet: „Alles in allem würde ich das als ‚Journalismus pur‘ beschreiben.”
Wenn man das Marketing für die eigene Person in den journalistischen Alltag integriert, bleibt aber doch weniger Zeit für den eigentlichen Job, oder? Natürlich dürfe nicht verschwiegen werden, dass Selbstvermarktung per Twitter, Facebook und Co. Zeit kostet, wie der Netzpiloten-Kollege Tobias Gillen erwähnt. „Aber es ist a) Zeit, die sich lohnt und b) kann man meist sehr gut kontrollieren, wann man wie viel Zeit investiert und wann es eben mal nicht passt.“ Doch wenn man erst einmal begriffen hat, dass Journalismus mehr bedeutet, als Beiträge zu erstellen, dann gehört dieser Aspekt der journalistischen Arbeit genauso selbstverständlich dazu wie das Recherchieren vor dem Schreiben. Richard Gutjahr erläutert die Aufgaben, die für Blogger nichts Neues sind: „Nach der Freischaltung muss man dafür sorgen, dass ein Text gefunden, diskutiert und moderiert wird“. Ganz klar ist für ihn, dass das „Zeit und oft auch Nerven“ kostet. „Aber was ist die Alternative?“ Silke Burmester rät deshalb, „sich selbst einen Rahmen zu setzen”.
Auf die Frage, ob mehr Marken auf dem Markt nicht der eigenen Marke schaden, war eine häufige Antwort: Statt gegeneinander zu arbeiten, sollte man miteinander arbeiten. Der Wirtschaftsjournalist Gunnar Sohn zählt auf, warum das sinnvoll ist: “Es geht um Netzwerk-Effekte, es geht um Anregungen, es geht um Wissensaustauch, kollaborative Recherchen, gegenseitige Unterstützung beim Einsatz von Tools, Crowdfunding-Ideen und um Manöverkritik.” Dass es letztendlich aber diejenigen leichter haben, die schon jetzt eine Marke sind, betont Netzfeuilletonist Jannis Kucharz. Selbstvermarktung gehört also schnellstens auf die Agenda. Allerdings wird es wohl immer welche geben, die damit noch nichts anfangen können, wie Carolin Neumann prognostiziert: „Bis der digitale Graben im Journalismus zugeschüttet ist, wird es ohnehin noch lange dauern.“ Oder um es mit den Worten von „Gelegenheitsjournalist“ Thomas Knüwer zusammenzufassen: „Journalisten, die über zu wenig Zeit zur Kommunikation und Informationssammlung klagen, sollten ihre Berufswahl hinterfragen.“
Alle diese Beispiele zeigen: Ohne einen Funken Selbstvermarktung werden es – vor allem freie – Journalisten schwerer haben, sich auf dem Markt zu positionieren. Das Zwischenfazit der elf ersten Interviews lautet deshalb: Nein, es gibt kein Geheimrezept für die Markenbildung, aber authentisch zu sein ist hilfreich. Ja, Selbstvermarktung kostet Zeit, aber sie lohnt sich. Jein, Wettbewerb belebt zwar das Geschäft, aber der Netzwerkgedanke sollte über dem des Konkurrenzkampfes stehen. Ulrike Langer hebt zum Schluss noch einen Aspekt hervor, der nicht vergessen werden darf: All die gute Selbstvermarktung helfe nichts, wenn die journalistische Qualität nicht stimme. Das ist natürlich wahr.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Netzpiloten.de
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